Jakobsweg: Ein neuer Zeitplan muss her
Gestern Nachmittag hat Gunter Morgenthal Triacastela erreicht. Den „Camino Duro“ den „harten Weg“ hat er hinter sich. Er ist in Galizien und bis zur Hauptstadt Santiago de Compostella sind es jetzt keine 150 Kilometer mehr. Dort will er unbedingt am 25. Juli, punkt 12 Uhr, in der Kathedrale ankommen. Von anderen Pilgern hat er erfahren, dass Papst Franziskus in diesem Jahr ein globales katholisches „Jahr der Barmherzigkeit“ ausgerufen hat, weshalb am 25. Juli, dem Ehrentag des heiligen Jakobus, in Santiago de Compostela ein großes Fest mit einem grandiosen Feuerwerk gefeiert werden soll, zu dem auch Prinz Philipp erwartet wird.
Mehr geht nicht
6. Juli: Seit morgens um sieben geht es mitten durch die Berge. Rechts nur Felsen, Bäume und Büsche, links eine Mauer und dahinter die Landstraße. Als Hape Kerkeling diese Strecke ging, gab es die Mauer noch nicht, weshalb er immer das Gefühl hatte, die LKW würden in den lang gestreckten Kurven direkt auf ihn zufahren. „Das erscheint einem auch heute noch so“, schreibt Gunter Morgenthal, „aber durch die Mauer fühlt man sich jetzt sehr viel sicherer“. Hinter der Mauer fließt rund 20 Meter tiefer ein Fluss durch die Schlucht. Sein Rauschen ist permanent zu hören, dazu der Gesang der Vögel. Mehr geht nicht, denn glücklicherweise ist die Landstraße heute nicht sehr stark befahren.Hier und da ist auch das Plätschern kleiner Bergquellen zu hören. Alles in allem ist einem hier die ganze Kraft der Natur ganz nah und man merkt unschwer, dass man sich am Fuße von Galizien befindet.
Unser Pilger passiert viele Bergdörfer. In Pereje, Trabadelo und Vega de Valcarce legt er kurze Pausen zum Verschnaufen ein. Unterwegs trifft er immer wieder auf die Pilger Thomas, Elisabeth „Elli“ und Martha, die für ihn telefonisch ein Bett in der Herberge in Herrerías mit reserviert. Es läuft gut, so dass Gunter Morgenthal den Ort gegen halb zwei – eine halbe Stunde vor den anderen – erreicht. Am Nachmittag ziehen Gewitterwolken auf und der 55-jährige kann gerade noch rechtzeitig seine frisch gewaschene Wäsche in Sicherheit bringen.
Camino Duro – mit Worten kaum zu beschreiben
7. Juli: Um sieben Uhr ist Aufbruch in Herrerías. Vor Gunter Morgenthal liegen 10 Kilometer bis O Cebreiro. 10 Kilometer, die es in sich haben, denn nach gut einem Kilometer beginnt der „Camino Duro“, der „harte Weg“, der mit unterschiedlichen Steigungen zwischen 12 und 18 Grad auf 1.300 Meter hinauf führt. Trotzdem freut sich der Buxtehuder auf diesen Abschnitt, den er nun schon zum dritten Mal geht und der mit Worten kaum zu beschreiben ist. In La Faba, auf 920 Metern Höhe legt er eine Pause vor einer wunderschön begrünten Herberge ein, bevor es weiter steil bergauf geht.
Das Panorama bis weit über die Berge ist unbeschreiblich. „Ich konnte meine Augen kaum von dieser schönen Aussicht lassen“, schreibt er. Darüber ist er sogar am galizischen Grenzstein, der kurz vor O Cebreiro auf der rechten Seite liegt, vorbei gelaufen. „Ist halt Pech“, meint er, „aber immerhin weiß ich, dass ich jetzt in Galizien bin!“ Nach dem „Camino Duro “ setzt er sich in „A Laguá de Castela“ draußen vor eine Bar, trinkt ein Cerveza „Estrella Galicia“ (ein galizisches Bier) und lauscht galizischer Musik. Unbeschreiblich schön!
Doch er will weiter nach O Cebreiro. Mit seinen Pallozas, den eliptischen, strohgedeckten Hütten, erinnert der Ort an ein keltisches Dorf. Ob die keltiberischen Stämme tatsächlich aus einer Vermischung zwischen Iberern und Kelten hervorgegangen sind, ist allerdings bis heute nicht geklärt. In Anbetracht des bevorstehenden Halbfinalspiels zwischen Deutschland und Frankreich, quartiert sich Gunter Morgenthal wieder in einer Pension ein und bestellt sich zum Abendessen Caldo Gallego, ein Eintopf, der als Spezialität der galizischen Küche gilt.
Nach dem Fußballspiel hat es sich ausgefiebert. Vor einer Bar gesellt sich Gunter Morgenthal mit einem Vino Tinto zu einer Gruppe spanischer Pilger. Man lacht viel, hat sich eine Menge zu erzählen und die Stimmung wird immer ausgelassener. Die Zeit vergeht und so ist es schon nach eins, als unser Pilger zufrieden in seinem Bett in der Pension einschläft.
Schattige Bäume und ein frischer Wind
8. Juli: Nach einer kurzen Nacht, geht es gegen 8.00 Uhr wieder auf den Camino. Heutiges Etappenziel: Triacastela. Hinter O Cebreiro geht es eine Weile noch bergauf. Es ist genau so wunderschön wie gestern und die Hitze macht Gunter Morgenthal nichts aus. Denn der Jakobsweg führt jetzt wieder bergab und es weht ein kühlender Wind. Die vielen Bäume am Wegesrand spenden reichlich Schatten. Besonders beeindruckt ihn eine 800 Jahre alte Kastanie mit einem Umfang von achteinhalb Metern. In Hospital da Condesa, Alto do Poio, Fonfría und Filloval legt er Pausen ein – teilt sich die 22 Kilometer bis Triacastela in kleinere Abschnitte ein, so dass er erst gegen 15.20 Uhr, aber ganz entspannt sein Ziel erreicht. „Ich schätze mal, in sechs Tagen bin ich in Santiago“, schreibt er noch und verabschiedet sich für heute.
Anmerkung der Redaktion: Sollten Sie erst jetzt auf Gunter Morgenthals Pilgerreise aufmerksam geowrden sein, hier finden alle seine Etappen auf dem Jakobsweg.