Morgens abgestandener Kaffee, abends Weinprobe und dann wird auch noch das Wasser knapp

Gestern Nachmittag ist Gunter Morgenthal in Boadilla del Camino angekommen und endlich hat auch der Sommer den Camino erreicht. Rund 400 Kilometer bis Santiago de Compostella liegen noch vor ihm. Vor dort aus sind es dann „nur“ noch etwa 80 Kilometer, bis er sein Ziel, das Cap de Finisterre am Atlantik, erreicht haben wird.

Vom Jakobsweg abgekommen

Pilgern auf dem Jakobsweg

„La Meseta“ liegt vor dem Pilger. Alle Fotos: Gunter Morgenthal

Pilgern auf dem Jakobsweg.

Die Herberge in Hornillos des Camino.

20. Juni: Gegen sieben macht sich Gunter Morgenthal in Burgos auf den Weg. Bis Hornillos del Camino sind es 19 Kilometer. Sein Weg führt ihn durch eine sehr schöne Parkanlage. Doch dann ist er ein wenig unaufmerksam, achtet nicht auf die gelben Pfeile, die allerorts den Jakobsweg markieren. Ein Autofahrer hält hupend neben ihm an und weist ihm den richtigen Weg. Durch den kleinen Umweg lässt er erst kurz nach acht die Stadt hinter sich. Nach neun Kilometern legt er die erste Pause ein und dann endlich liegt sie wie ein berauschendes Farbenmeer vor ihm: die Kilometer lange Hochebene „la Meseta„. Der Himmel ist blau und die Sonne lacht, als unser Pilger gegen 12.15 Uhr sein heutiges Etappenziel erreicht. In seiner Herberge wird kein WLAN angeboten, deshalb „schleicht“ er sich in eine andere Herberge ein, macht es sich auf dem Rasen gemütlich, um uns via WhatsApp auf dem Laufenden zu halten.

Der pure Luxus: Ein Einzelbett am Fenster

Pilgern auf dem Jakobsweg

Ruinas de San Anton

Pilgern auf dem Jakobsweg

Von Hornillos del Camino bis Castrojeriz sind es genau 20 Kilometer.

21. Juni: Auch wenn Gunter Morgenthal die rustikalen Herbergen bevorzugt, das Frühstück in Hornillos del Camino lässt doch sehr zu wünschen übrig: Kaffee vom Vortag in der Thermoskanne und Zwieback. Immerhin gibt es Nougatcreme. Um sieben Uhr geht es los. Das leicht hügelige Gelände ist in das Licht der aufgehenden Sonne getaucht und verwandelt die Landschaft wieder in ein wunderschönes Farbenspiel. Oben auf der Ebene wird es aber platt und eintönig, bis er in Hontanas ankommt. Das mittelalterliche Dorf fasziniert den Pilger und er legt vor einer Bar eine längere Pause ein. Hinter Hontanas verändert sich die Landschaft. Sie wird immer schöner und schöner. Kurz vor Castrojeriz, dem heutigen Etappenziel, passiert er die „Ruinas de San Anton„. Von dem im 12. Jahrhundert gegründeten Kloster stehen noch die Mauern der Kirche und der doppelte Spitzbogen, durch den noch immer die Straße nach Castrojeriz führt. Hier steigt er in einer Herberge ab, die zum „Red de Albergues Camino de Santiago„, einem Verein privater Herbergen, gehört. Als einer von wenigen Pilgern bekommt Gunter Morgenthal sogar ein Einzelbett am Fenster. Mit Frühstück kostet die Nacht 23 Euro und die Besichtigung eines mittelalterlichen Weinkellers mit Weinprobe ist sogar im Preis inbegriffen.

Pilgern auf dem Jakobsweg

Die Besichtigung eines mittelalterlichen Weinkellers ist im Übernachtungspreis inbegriffen.

Tiefenentspannt und wie in Trance

Pilgern auf dem Jakobsweg

Unendliche Meseta.

Pilgern auf dem Jakobsweg

Endlich Schatten unter Bäumen – Zeit für eine Rast.

22. Juni: Beim Frühstück nimmt sich Gunter Morgenthal Zeit für ein langes Gespräch mit einer deutschen Pilgerin, die gemeinsam mit ihrem Hund auf dem Camino unterwegs ist (dazu weiter unten mehr). Um halb acht ist er wieder auf dem Camino und schon nach einer halben Stunde kommt die erste Herausforderung des Tages: Ein kleiner Berg mit einer Steigung von 12 Grad bei einer Weglänge von 1.000 Metern. Es geht von 790 auf 900 Meter. Oben angekommen entschädigt ein wunderbares Panorama für die Anstrengungen. Doch nach etwa 300 Metern folgt schon die nächste Herausforderung: 350 Meter bergab mit einer Neigung von 18 Grad. Danach nur noch Ebene auf der scheinbar unendlichen Meseta. Nach zwei Stunden laden schließlich ein paar Tische und Bänke aus Granit im Schatten einiger Bäume zur Rast ein und Gunter Morgenthal lässt sich ein Estrella Galicia, ein galizisches Bier, schmecken, bevor es weiter geht. Mit einer alten Brücke kommt ein wenig Abwechslung fürs Auge ins Spiel und im Schatten der Bäume am Ufer des Rio Pisuerga fällt das Laufen sehr viel leichter. Nach 12 Kilometern ist gegen 11.00 Uhr das kleine Örtchen Itero de la Vega erreicht. Zeit für eine Pause: In einer Bar bestellt Gunter Morgenthal Lomo (eine spanische Wurstspezialität), Eier und Pommes mit einem kühlen Bier.

Pilgern auf dem Jakobsweg

Willkommene Abkühlung im Pool.

Eine halbe Stunde später geht es weiter durch die Meseta. „Mittlerweile war es 12 Uhr und gefühlte 40 Grad heiß“, schreibt Gunter Morgenthal via WhatsApp. Er setzt seine Kopfhörer auf, hört Balladen von Pearl Jam und ist auf einmal total tiefenentspannt. „Ich war wie in Trance. Unbeschreiblich schön. Die Hitze störte mich nicht“. Das Silbershirt leistet gute Dienste und er gewöhnt sich sogar daran, warmes Wasser zu trinken. „Ich beobachtete andere Pilger, wie sie die ganze Zeit zu Boden schauten“, schreibt er.  „Ich nicht. Es ist so, als wenn man auf den Ozean schaut“. Kurz vor dem Ziel gibt er noch einmal Gas. Er hat kein Wasser mehr und es wird immer heißer. Endlich in Boadilla del Camino muss er erst einmal raus aus der Sonne! Als Krönung des Tages, steigt der 55-jährige in einer Herberge mit einem wunderschönen Garten ab. 2009 war schon einmal hier. Doch jetzt gibt es sogar einen Swimmingpool, in den unser Pilger an diesem Tag nicht nur einmal hinein springt.

Jakobsweg mit Hund – vergessen Sie’s!

Pilgern auf dem Jakobsweg.

Hunde sind in den Herbergen keine gern gesehenen Gäste. Foto: Pixabay.com

Gunter Morgenthal mag Hunde und die Vierbeiner mögen ihn. Hatte er bislang immer gedacht, für Pilger die auch Herrchen oder Frauchen sind, wäre es eine schöne Idee, gemeinsam auf den Jakobsweg zu gehen, ist er nach seinem Gespräch beim Frühstück in Castrojeriz ganz anderer Meinung. „Die Hundebesitzerin hat mir erzählt, dass mit ihrem Vierbeiner noch nie so viel Unfreundlichkeit erlebt hat wie auf dem Jakobsweg“, schreibt er. In vielen Herbergen hätte man es mit barschem Ton abgelehnt, den Hund rein zulassen. „Und wenn doch, musste sie sogar ihr Bett wieder verlassen, nachdem es einem anderem Pilger ohne Hund zugesprochen wurde“, so der Norddeutsche weiter. Selbst im Flur oder in der Scheune durfte sie nicht übernachten und musste ganz häufig unter freiem Himmel schlafen. Was Gunter Morgenthal besonders ärgert: „Die Hundehalterin wird von vielen Pilgern morgens nicht einmal gegrüßt und kaum einem kommt ein ‚Buen Camino‘ über die Lippen, wenn sie die Pilgerin mit ihrem Hund treffen. Fazit: Der Jakobsweg ist eine tolle Erfahrung, aber nicht für Hundehalter.

Anmerkung der Redaktion: Alle Etappen von Gunter Morgenthal auf dem Jakobsweg finden Sie hier.

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