Jakobsweg: Morgen beginnt eine ganz neue Erfahrung

Schon zweimal ist Gunter Morgenthal den Jakobsweg gegangen: 2009 von Burgos über Santiago de Compostela bis zum Cap de Finisterre am Atlantik. 2013 machte er sich erneut auf den Weg, und pilgerte 600 Kilometer von Roncesvalles bis Santiago de Compostela. Dieses Mal hat er sich eine Strecke von rund 900 Kilometern vom französischen Saint-Jean-Pied-de-Port bis zum Cap de Finisterre vorgenommen, wo er voraussichtlich Ende Juli/Anfang August ankommen wird. Gestern nun schrieb er aus Villafranca del Bierzo: „Ich bin jetzt 600 Kilometer gepilgert. Ab jetzt beginnt eine ganz neue Erfahrung für mich“.

Höchstleistung für Muskeln und Gelenke

Pilgern auf dem Jakobsweg.

Der höchste Punkt des Jakobswegs, das Cruz de Ferro. Alle Fotos: Gunter Morgenthal

3. Juli: Nach der langen Fußballnacht, bei der Deutschland sein Italien-Trauma überwunden hat, sitzt Gunter Morgenthal bereits um 7 Uhr beim Frühstück. 20 Minuten später ist er wieder auf dem Jakobsweg. Ziel: das 17 Kilometer entfernte El Azebo. „Eine wahnsinnig schöne Etappe“, schwärmt er, „aber auch Höchstleistung für Muskeln und Gelenke!“. Nach einem Anstieg auf rund 1.500 Meter hat er den höchsten Punkt des Jakobswegs, das Cruz de Ferro, erreicht. Pilger legen hier schon seit Jahrzehnten einen Stein, den sie aus der Heimat mitgebracht haben, ab. Er soll den Balast symbolisieren, der sich im Laufe eines Lebens angesammelt hat. Gunter Morgenthal hinterlässt eine Jakobsmuschel.

Immer weiter geht es bergauf und bergab. Unser Pilger verfällt – wie er schreibt – in ein Schleichtempo, nimmt dabei die wundervolle Aussicht aber ganz tief in sich auf. Im kleinen Bergdörfchen Foncebadón legt er eine große Pause ein und genießt ein zweites Frühstück. Kurz vor Manjarin, einem sehr kleinen, fast verlassenen Ort, verkauft eine Señora knackige Kirschen. Am Ortsausgang mit seinem bei Pilgern bekannten „Schilderwald“ gibt es noch einmal eine Erfrischung, bis er dann um 14.00 Uhr endlich El Azebo, das Dorf mit den schwarzen Schieferdächern, erreicht.

Pilgern auf dem Jakobsweg.

El Azebo, das Dorf mit den schwarzen Schieferdächern.

Immer der Sonne entgegen

Pilgern auf dem Jakobsweg.

Der „Schilderwald“ von Manjarin.

4. Juli: Schon um sieben ist Abmarsch. Weit und breit keine Gelegenheit zum Frühstücken. Kurz vor acht findet er im nächsten Dorf Riego de Ambrós eine Art „Tante Emma Laden“, in dem ihm der Besitzer einen Organensaft auspresst und einen Kaffee in der Mikrowelle erhitzt. Ein Paket Magdalenas dazu muss reichen. Er sitzt auf einer Bank vor dem Laden und drei Deutsche Pilger, die Gunter Morgenthal unterwegs kennengelernt hat, gesellen sich zu ihm. Dann macht er sich wieder auf den Weg, der jetzt fast durchgängig bergab führt und sehr steinig ist. Die Landschaft ist grandios, rundherum nur Berge. „Ich mochte gar nicht weiter gehen, wollte nur die Landschaft genießen!“ schreibt er. In Molinaseca mit der beeindruckenden römischen Brücke über den Río Meruelo legt er eine weitere Pause ein, bis er schließlich um halb eins seine Herberge in Ponferrada erreicht hat.

Pilgern auf dem Jakobsweg.

Die römische Brücke über den Río Meruelo.

Die Herberge liegt ganz in der Nähe der Burg, einer mittelalterlichen Templerfestung. Nach deren Besichtigung kauft er in einer Apotheke noch eine Tube Schmerzgel, denn sein Bein und die Hüfte melden sich nach der „nur“ 16 Kilometer langen, aber anstrengenden Etappe mit leichten Schmerzen. Vor der Tür trifft er auf einen Bettler, dem er ein paar Münzen in die Hand drückt. Der revanchiert sich mit einer schönen Bleistiftzeichnung, die er von der Umgebung angefertigt hat. „Man bekommt es doppelt und dreifach zurück, wenn man etwas Nächstenliebe zeigt“, sinniert Gunter Mogenthal und ist mit sich im Reinen.

PIlgern auf dem Jakobsweg.

Die Burg von Ponferrada.

Pilgern auf dem Jakobsweg.

Kurz nach 18.00 Uhr immer noch 37°.

Am Abend sieht er im Fernsehen die Wettervorhersage und stellt fest: „Immer dort, wo ich war, regnet es. Ich gehe augenscheinlich dem schönen Wetter entgegen“. Vielleicht aber ist unser Pilger auch nur immer etwas schneller als die Wolken. An die heißen Temperaturen hat er sich gewöhnt und Silbershirt und Silbersocken zu schätzen gelernt. Dank der eingewebten Silberfäden reduzieren die Textilien das Schwitzen merklich und sind dabei garantiert geruchsneutral.

Die 600-Kilometer-Marke ist geknackt

Pilgern auf dem Jakobsweg.

Die wunderschöne Landschaft entschädigt für die Strapazen.

Pilgern auf dem Jakobsweg.

Die „Albergue de la Piedra“ macht ihrem Namen alle Ehre.

5. Juli: Heute ist Gunter Morgenthal schon sehr früh aufgestanden, so dass er bereits um 6.40 Uhr mit dem Frühstück fertig ist und sich wieder auf den Weg machen kann. Es ist angenehm kühl, während ihn die ersten zehn Kilometer durch Städte und Dörfer führen. In Fuentes Nuevas und Camponaraya macht er kurze Pausen. Kurz vor Cacabelos schmerzt die linke Hüfte wieder und er legt eine weitere Pause ein. So kommt er doch in die Mittagshitze, pilgert wieder im Schleichtempo. Dafür entschädigt jetzt aber die wunderschöne Landschaft der Weinberge von Bierzo. Angekommen in Villafranca del Bierzo steuert er gleich eine sehr begehrte Herberge. die „Albergue de la Piedra“ (Herberge vom Stein) an. Auch ohne Reservierung bekommt er ein Bett. Das letzte. Glück gehabt! Mit der heutigen Etappe von etwas mehr als 22 Kilometern, ist Gunter Morgenthal inzwischen 600 Kilometer gepilgert und ab morgen wird er weitere 300 Kilometer in Angriff nehmen.

Anmerkung der Redaktion: Sollten Sie erst jetzt auf Gunter Morgenthals Pilgerreise aufmerksam geowrden sein, hier finden alle seine Etappen auf dem Jakobsweg.

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