Jakobsweg: 27 Grad im Schatten – es wird heißer

In Rabanal del Camino ist Gunter Morgenthal gestern bereits um 12 Uhr in einer Pension abgestiegen. Es wird heißer auf dem Camino und er bevorzugt es jetzt, schon vor der großen Mittagshitze an seinem Etappenziel anzukommen.

Tortilla Francesa zum Frühstück

30. Juni: Seit 23 Tagen ist Gunter Morgenthal nun schon auf dem Jakobsweg unterwegs. In Villar de Mazarife gönnt er sich heute mal eine Tortilla Francesa (ein spanisches Omlett) zum Frühstück. So gestärkt geht es um viertel vor acht los. Da sich sein linkes Bein auf den letzten längeren Etappen immer mal wieder bemerkbar gemacht hat, stehen heute „nur“ 16 Kilometer bis Hospital de Órbigo auf dem Programm. „Kürzere Strecken sind weitaus erholsamer“, sagt der 55-jährige, „und ich habe ja genug Zeit!“. Glücklicherweise hat sich sein Arm von dem Sturz kurz vor Carrión de los Condes wieder erholt.

PIlgern auf dem Jakobsweg

Nach der langen Brücke ist auch die Herberge schon erreicht. Alle Fotos: Gunter Morgenthal

PIlgern auf dem Jakobsweg.

Die Herberge befindet sich in einem ehemaligen Pfarrhaus.

Der Camino führt wieder über Landstraßen, die von Getreide- und Gemüsefeldern gesäumt sind. Nach zwei Stunden legt er in dem kleinen Dörfchen Villavante vor einer Bar eine Pause ein. „Ich genieße diese Momente immer sehr“, schreibt er. Hinter dem Dorf führt der Camino zur Abwechslung über Schotter und nicht Asphalt. Kurz vor Hospital de Órbigo dann eine mehr als 200 Meter lange Brücke und dann ist auch die Herberge schon erreicht: Ein ehemaliges Pfarrhaus, das in den 90er Jahren des vergangenen Jahrhunderts zur Pilgerherberge umgebaut wurde. Gunter Morgenthal ist hungrig und entscheidet sich, nicht bis zum Abend auf sein Pilgermenü zu warten. Es gibt Sopa de Trucha (eine Fischsuppe mit großzügiger Broteinlage) und Calamares à la Romana – beides äußerst lecker.

16 Kilometer sind bei diesen Temperaturen genug

PIlgern auf dem Jakobsweg.

Leicht bergauf und wieder bergab – ein wahres Vergnügen.

1. Juli: Bis Astorga sind es heute auch wieder „nur“ 16 Kilometer. „Früher bin ich zweimal 16 Kilometer in einem Rutsch auf dem Jakobsweg gegangen“, erinnert sich der Pilger, „aber die 38 Kilometer von Navarrete bis Santo Domingo de la Calzada am 16. Juni werden wohl die Ausnahme auf dieser Pilgerreise bleiben“. Um 7 Uhr bricht er im alten Pfarrhaus auf. Eine halbe Stunde später ist Villares de Órbigo erreicht, wo Gunter Morgenthal eine kleine Pause in einer Cafeteria zum Frühstück einlegt. Leicht bergauf und wieder bergab führt der Camino etwa sieben Kilometer weit durch einen wunderschönen Wald. „Das war das reinste Vergnügen“, schreibt er, doch es gibt auch einen Wermutstropfen: „2013 war dieser Abschnitt noch im Urzustand. Jetzt haben Planierraupen eine breite, noch nicht asphaltierte Straße genau auf diesem Weg gezogen“, so der Pilger weiter. Das sei traurig, denn so mache man den Camino kaputt

Pilgern auf dem Jakobsweg.

Willkommene Erfrischung am Wegesrand.

An einem kleinen Stand, der von einem jungen Paar, das dort unter freiem Himmel lebt, betrieben wird, legt er wieder eine Pause ein. Sie bieten ihm frisch gebackenes Brot und einen frisch gepressten Melonensaft an. Für eine kleine Spende gibt es noch zwei Bananen zur Stärkung. Eine Katzenmama, die fünf kleine Kitten hat, sucht Gunter Morgen-thals Gesellschaft. Schon um halb zwölf ist Astorga erreicht, doch es braucht noch eine weitere halbe Stunde bis zur Herberge, die ganz in der Nähe der Kathedrale liegt.

PIlgern auf dem Jakobsweg.

Astorga kommt schon von weitem in Sicht.

Zittern mit der deutschen Elf

Pilgern auf dem Jakobsweg.

Kleine Verschnaufpause in der „Meson Cowboy“ in El Ganso.

2. Juli: Heute steht der Buxtehuder schon um fünf Uhr auf, wegen der Hitze möchte er sein Ziel, das 23 Kilometer entfernte Rabanal del Camino noch vor Mittag erreichen. Nach einem Frühstück in einer Cafeteria unweit der Herberge zeigt sich der Jakobsweg ganz nach Gunter Morgenthals Geschmack: 27 Grad im Schatten, ab und zu eine kühle Brise, viele Bäume und Büsche und die galizischen Berge fast schon zum Greifen nah. Baumwurzeln, Felsen oder Steine machen den Camino, der manchmal nur einen halben Meter breit ist, etwas beschwerlich. Aber mit zwei größeren Pausen in Santa Catalina de Somoza und in El Ganso ist auch das zu schaffen. Jetzt, rund 230 Kilometer vor Santiago de Compostela, trifft man auch immer mehr Spanier auf dem Camino. In Rabanal del Camino nimmt er sich eine Pension, schließlich spielt am Abend Deutschland gegen Italien und das Spiel möchte sich Gunter Morgenthal in aller Ruhe ansehen.

Pilgern auf dem Jakobsweg.

Der Camino ganz nach Gunter Morgenthals Geschmack.

PIlgern auf dem Jakobsweg.

„Public Viewing“ auf dem Camino.

Das entpuppt sich später als weise Entscheidung, denn wie wir alle wissen ist der Fußball-Krimi erst kurz vor Mitternacht entschieden. Gunter Morgenthal fiebert in einem Restaurant im Kreise vieler anderer Nationalitäten mit der deutschen Elf mit. Kurz vor 22.00 Uhr müssen sich diejenigen Pilger verabschieden, die sich in dieser Nacht für eine Herberge entschieden haben und nicht vor verschlossener Tür stehen wollen. Gemeinsam mit einer Handvoll anderer Pilger verfolgt er das Elfmeterschießen, bis das erlösende Tor fällt. „Schwein gehabt!“

Anmerkung der Redaktion: Sollten Sie die Berichte der Pilgerreise erst jetzt entdeckt haben, hier finden Sie alle Etappen von Gunter Morgenthal auf dem Jakobsweg.

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