Keine Gewaltmärsche wie im vergangenen Sommer
Seit vergangenem Sonntag ist Gunter Morgenthal wieder auf „seinem“ Camino unterwegs. In diesem Sommer begleitet ihn sein Freund Thomas, der die fehlenden Etappen ihrer letzten gemeinsamen Pilgertour auf dem Jakobsweg endlich vervollständigen möchte. Die beiden lassen es ruhig angehen. Deshalb wird es in diesem Sommer auch keine Gewaltmärsche geben. Inzwischen haben die beiden Frómista erreicht.
Von Kampfschnarchern und schmutzigen Betten
8. August: Die Nacht in Tardajos haben unsere Pilger in einem Zimmer mit vier Etagenbetten verbracht. Nicht nur, dass es im Zimmer extrem warm war, einige der Mitbewohner entpuppten sich als echte Kampfschnarcher, die augenscheinlich dabei waren, den galizischen Wald abzuholzen. Zudem waren die Betten unter hygienischen Gesichtspunkten nicht eben einladend, so dass sich die beiden dazu entschlossen, trotz der Hitze in ihre Schlafsäcke zu kriechen. Als es endlich fünf wird, stehen Gunter und Thomas auf, gehen kurz duschen und packen ihre Siebensachen zusammen. Das leckere Frühstück entschädigt ein wenig für die schreckliche Nacht und gut gelaunt machen sich die beiden auf ihre nächste Etappe mit Ziel Hontanas.
Morgens um 6.30 Uhr ist es noch etwas kühl, der Himmel ist leicht bewölkt. Die Fleecejacke ist aus Gewichtsgründen zuhause geblieben, also Zwiebellook und ein zweites Silbershirt übergezogen – das hilft gegen den kalten Wind! Langsam, mit etwa „4 Stundenkilometern“ geht es durch die Meseta. „Eine sehr gute Geschwindigkeit“, schreibt uns Gunter. „Ich hörte sehr auf meinen Körper. Und es ging gut. Konnte dadurch meine Gehhilfen am Rucksack belassen“. Das lässt ihn hoffen. Nach zweieinhalb Stunden erreichen die Pilger Hornillos del Camino. Gunter besorgt in einem „Tante Emma Laden“ leckere Baguettes mit Chorizo, Queso y Tomate (Paprikawurst, Käse und Tomate) und für jeden ein „San Miguel“, das sie sich vor der sehr alten rustikalen Kirche schmecken lassen. Unter mittlerweile blauem Himmel geht es weiter, bevor die beiden kurz vor zwei relativ relaxed in Hontanas ankommen. In der Herberge am Ortseingang beschließen die Pilger mit einer leckeren Paella diesen Tag, der sie rund 21 Kilometer näher an ihr Ziel gebracht hat.
Beine, schwer wie Blei
9. August: Heute wieder Frühstück um 6:30 Uhr und gleich danach auf den Jakobsweg. Der Himmel ist blau, aber ein kühler Wind lässt die Pilger etwas frösteln. Kurz hinter Hontanas passieren sie die Ruinen vom „Convento Santa Clara“. Eigentlich läuft es heute sehr gut, wenn man von den Beinen absieht, die sich schwer wie Blei anfühlen. „Vor uns der Mond und die Sonne im Rücken, haben wir die Landschaft trotzdem genossen“, schreibt Gunter. In Castrojeriz wärmen sie sich kurz nach neun in einer Bar mit einem Cafe con Leche auf. Es ist immer noch frisch und über das zweite T-Shirt kommt jetzt auch noch die Regenjacke. Die Gegend wird hügeliger. Im Schleichtempo geht es auf gut 1.000 Meter Höhe. Die Steigung von 12 Prozent strengt an, schließlich sind die beiden Pilger noch ziemlich untrainiert. Die tolle Aussicht entschädigt für die Strapazen. Nach zehn Minuten geht es schon wieder auf 350 Meter runter, mit einer Steigung von 18 Prozent – auch nicht gerade beschaulich! Der Wind ist immer noch recht kalt und das Wetter wechselhaft, doch so weit das Auge reicht, riesige blühende Sonnenblumenfelder – ein herrlicher Anblick! Drei Kilometer vor Itero de la Vega, dem heutigen Etappenziel, werden an einem kleinen Stand Obst und kalte Getränke angeboten. Zeit für eine kleine Verschnaufpause auf einer Bank unter Bäumen. Um 13.20 Uhr, nach 21 Kilometern, ist Itero de la Vega erreicht. In der Herberge sind noch reichlich Betten frei. Nach einer erfrischenden Dusche, ist Wäsche waschen dran, bevor sich Thomas und Gunter das obligatorische Pilgermenü im Restaurant der Herberge schmecken lassen. Mittlerweile ist der Himmel wieder blau, die Sonne ist herausgekommen und die Temperaturen steigen – beste Voraussetzungen für einen entspannten Nachmittag.
Mit leerem Magen auf den Jakobsweg
10. August: Gunter und Thomas entwickeln sich zu echten Frühaufstehern. Schon um halb sieben sind sie wieder auf dem Camino. Ziel: das knapp 14 Kilometer entfernte Frómista. In Itero de la Vega sind um diese Zeit noch alle Geschäfte geschlossen, also geht es mit leerem Magen los. Es ist noch sehr kalt und die Pilger greifen auf das bewährte Zwiebelprinzip zurück: zwei Silbershirts übereinander und darüber die Regenjacke. Das macht sich bezahlt, als sie wenig später an einer Bewässerungsanlage vorbei kommen, die den Jakobsweg auf zirka 50 Metern wie mit einer Dusche unter Wasser setzt. Unsere Pilger nehmen’s mit Humor! Die Landschaft ist auch hier von Sonnenblumenfeldern geprägt – deren Anblick sofort gute Laune macht. Nach acht Kilometern erreichen die beiden Norddeutschen Boadilla del Camino und im Innenhof einer Herberge gibt es endlich Frühstück. Gunter erinnert sich daran, dass er hier im vergangenen Sommer im Pool gebadet und übernachtet hatte. Der Rest des Weges nach Frómista führt am Canal de Castilla entlang. Gunter und Thomas beschließen, sich vorsichtshalber weiter zu schonen und wie geplant in Frómista zu übernachten. Er schreibt: „Meiner Leiste geht es bei dem langsamen Tempo gut und auch Thomas hat weder Probleme mit dem Rücken noch mit den Füßen. Aber wir wollen unser Glück nicht herausfordern“.
Mit ein paar Impressionen der letzten drei Tage verabschieden sich unsere Pilger: