Kurz vor Santiago de Compostela

Der Camino von Ferreiros nach Arzúa

Auf dem Weg nach Santiago de Compostela

Gunter nennt Galizien „die grüne Oase Spaniens“. Fotos: privat

Begleitet von seinem Freund Thomas, hat Gunter Arzúa erreicht. Inzwischen ist er seinen 2.500sten Kilometer in vier Jahren auf dem Jakobsweg gelaufen. Nur noch zwei Etappen liegen vor ihm, bevor er am Samstag Santiago de Compostela erneut erreichen wird. Die wegen der Hüfte mitgenommenen Gehhilfen braucht Gunter nicht mehr. Ähnlich wie im vergangenen Jahr, als die Knieschmerzen nach einigen hundert Kilometern wie von selbst verschwanden, ist Gunter auch jetzt wieder schmerzfrei. Vor 15 Wochen hat er das Rauchen aufgegeben und schreibt: „Ohne Zigaretten fühle ich mich wesentlich wohler und laufe sogar noch besser!“

Noch 100 Kilometer bis Santiago de Compostela

100 km bis Santiago de Compostela

Noch genau 100 Kilometer bis zum Ziel.

21. August: Nach dem Frühstück sind Gunter und Thomas erst um 7:30 Uhr in Ferreiros gestartet. Es ist bereits richtig warm und das Thermometer soll heute noch bis auf 40 Grad klettern. Und das bei den vielen Steigungen, die vor den Pilgern auf ihrer 14. Etappe nach Venta de Narón liegen. Das kleine Dorf wurde durch die Schlacht zwischen Mauren und Christen im 9. Jahrhundert bekannt und bereits im „Codex Calixtinus“ erwähnt. Etwas mehr als 22 Kilometer liegen vor Gunter und Thomas. Nach einer Viertelstunde erreichen sie einen Grenzstein, der besagt, dass es noch genau 100 Kilometer bis Santiago de Compostela sind. Ab hier benötigen Pilger mindestens zwei Stempel in der Credenziales (Pilgerausweis), damit sie die so genannte Compostela empfangen können. Diese Urkunde wird im Pilgerbüro direkt neben der Kathedrale in lateinischer Sprache ausgestellt. „Wir haben jetzt noch rund 80 Kilometer vor uns“, schreibt Gunter. „Wir werden aber kürzer treten und den Rest der Strecke in fünf Etappen aufteilen, dann kommen wir am Samstag in Santiago an“. Die große Hitze ist schon enorm, deshalb gönnen sich die beiden Buxtehuder heute drei Pausen. Vier Kilometer vor dem Ziel geht ihnen das Wasser aus. Zwei Kilometer müssen sie laufen – ein langer Aufstieg ohne Schatten, beladen mit den schweren Rucksäcken – bis sie gegen viertel nach drei an einer Herberge mit Restaurant ankommen. Das dort gekaufte Wasser ist auf den letzten Metern vor Venta de Narón schon wieder ausgetrunken. „Es war heute eine Qual“, meint Gunter endlich am Ziel. Nach dem Duschen und dem obligatorischen Wäsche waschen, reserviert Gunter vorsichtshalber telefonisch schon die Betten in der nächsten Herberge. Aufgrund der spanischen Urlaubszeit, scheint der Ansturm auf die Herbergen zu dieser Zeit besonders groß.

Soweit die Stiefel tragen

Jakobsweg bis Santiago de CompostelaGunters Stiefel werden wohl nicht mehr lange halten. Im linken hat sich innen eine Falte gebildet, die schon seit zehn Tagen über den großen Zeh scheuert. Weil der Zeh schon ganz wund und angeschwollen ist, legt er den SilverButler, ein dünnes antibakterielles Silbertuch, das Gunter immer dabei hat, auf den Zeh. Nach drei Tagen sind die Entzündung und die Schwellung wieder abgeklungen.

Durch mystische Landschaften

Nebel auf dem Weg nach Santiago de Compostela22. August: Zur Erholung haben sich die beiden Pilger für heute nur 12 Kilometer vorgenommen. Ziel: Palas de Rei. Der Tag beginnt mit blauem Himmel, doch je höher sie kommen, umso nebliger wird es. Die frische Kühle ist sehr angenehm gegenüber der Hitze der letzten Tage. Im Nebel hat die Landschaft etwas Mystisches. Sie lassen sich Zeit, gehen den Camino trotz vieler anderer Pilger ganz entspannt. Ihre Betten in der Herberge sind ihnen wegen der rechtzeitigen Reservierung ja sicher. Am Wegesrand liegen viele Bars mit schön angelegten Terrassen. In der einen oder anderen legen sie einen Stopp ein und genießen die schöne Aussicht bei einem Cafe con Leche. Als die Pilger um viertel nach zwölf in der Herberge ankommen, ist bereits alles belegt. „So schlimm war es im letzten Jahr nicht“, erinnert sich Gunter, „obwohl der Papst das heilige Jahr der Barmherzigkeit ausgesprochen hatte“. Sie beziehen ein Zweibettzimmer – man muss auch mal Glück haben! Sicherheitshalber hängt sich Gunter gleich ans Telefon, um die Herberge für morgen klar zu machen. Doch keine Chance, die meisten Herbergen sind schon seit Tagen ausgebucht. Endlich hat er Glück und kann noch ein Pensionszimmer für etwas mehr als das Doppelte ergattern – immer noch günstig: 45 Euro für beide! Damit es auf den letzten Etappen keinen Stress gibt, reserviert Gunter auch gleich die Herbergen in Santiago de Compostela und am Kap Finisterre. Das kostet ihn etwa 20 Anrufe mit insgesamt 17 Absagen. „Wirklich schlimm“, schreibt er, „August scheint also nicht die optimalste Zeit zum Pilgern“.

Hier und jetzt glücklich

Santiago de Compostela23. August: Auf dem Weg nach Melide ist es angenehm kühl. Je höher die Pilger steigen, umso nebliger wird es. „Ich genieße alles in vollen Zügen“, schreibt Gunter, „ja, man kann sagen, ich bin jetzt und hier glücklich“: Schöne alte Dörfer, tolle mystische Landschaft, die angenehme Temperatur, keine Schmerzen, keine Anstrengung und die prachtvolle Vegetation hier in Galizien. Er nennt die Gegend „die grüne Oase Spaniens“ und das heutige Etappenziel „Pulpo- City“, weil Pulpo (Krake) die besondere Spezialität von Melide ist. Pulpo mit einem guten trocknen Rotwein dazu: herrlich!

Bald ist’s geschafft

Vorbei auf dem Weg nach Santiago de Compostela24. August: „Wir haben es bald geschafft“, schreibt Gunter, „nur noch zweimal 20 Kilometer und Santiago de Compostela ist erreicht. Sie sind heute früh dran und müssen den Weg wieder einmal mit Taschenlampen ausleuchten. Auf dem Weg nach Arzúa geht es nochmal ordentlich rauf und runter. Die Landschaft erinnert ein bisschen ans Allgäu – viel Mischwald, hier allerdings auch mit Eukalyptusbäumen. Der Himmel ist bewölkt und es läuft sich bei den niedrigen Temperaturen einfach super. Nach zwei Stunden erreichen Gunter und Thomas die Cafeteria „el Aleman“, das deutsche Café. Endlich Frühstück mit Croissants, Cafe con Leche y un Zumo de Naranja natural (frisch gepresstem Orangensaft), das Gunter dennoch auf spanisch bestellt. „Weil ich die Sprache liebe“, erklärt er. Die Pilger passieren sehr alte Bauerndörfer und gönnen sich auf den Terrassen der Bars mehrere Pausen, bevor sie Arzúa erreichen.

 

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