Jakobsweg: Mehr als zwei Drittel sind schon geschafft
Gestern Mittag hat Gunter Morgenthal Villar de Mazarife erreicht. Nun sind es „nur“ noch rund 270 Kilometer auf dem Jakobsweg, bis Gunter Morgenthal Santiago de Compostela erreicht.
Weit und breit nichts als Natur
27. Juni: Heute liegt eine Herausforderung vor unserem Pilger: 24,5 Kilometer von Calzadilla de los Hermanillos bis Mansilla de las Mulas auf dem Calzada Romana, dem alten Römerweg, liegen vor ihm. Auf der ganzen Strecke keine Möglichkeit zur Einkehr, sondern nichts als Natur, soweit das Auge reicht! Zweieinhalb Liter Wasser für unterwegs machen den Rucksack nicht gerade leichter. Doch nach einem kräftigen Frühstück in einer Cafeteria, geht es um halb acht frohgemuts los. Anfangs säumen noch viele Bäume und Büsche den Weg, dann nur noch flaches Land, weite Getreidefelder und weit und breit kein schattiges Plätzchen. „Mir hat’s gefallen“, schreibt Gunter Morgenthal per Whats App und erinnert sich an 2009, als der Römerweg nach zehn Kilometern wegen einer Baustelle gesperrt war und er mit seinem Freund Harry einen Umweg über die linke Alternativroute über Reliegos nehmen musste. Dieses Mal ist der Römerweg frei, doch er lässt sich nur noch erahnen. Die Pflastersteine sind entweder zugewachsen oder lose verstreut. „Egal“, meint der Pilger, „es ist ein tolles Gefühl auf der Straße der alten Römer zu pilgern“. Und so geht diese Etappe in einem Rutsch mit einer kleinen Verschnaufpause durch und die Herberge „Amigos del Peregrinos“ ist schon um 13.00 Uhr erreicht.
Auf in die wunderbare Stadt León
28. Juni: Aufbruch in Mansilla de las Mulas um sieben. Ohne Frühstück, denn überall sind die Läden noch geschlossen. „So früh los zu pilgern, bei angenehmen Temperaturen und strahlend blauem Himmel, ist einfach nur unbeschreiblich schön!“ schreibt Gunter Morgenthal. Nur das Zwitschern der Vögel begleitet ihn – kein Autolärm oder andere nervende Geräusche. Doch das ändert sich schnell: Nach einigen Dörfern folgt der Camino einer stark befahrenen Straße, vorbei an einem Industriegebiet. Nicht sehr sehenswert und häufig auch viel zu laut.
Umso mehr entschädigt die wunderbare Stadt León, die er nach gut 18 Kilometern am Mittag erreicht. Er steigt in der Herberge „Las Carbajalas“ in einem Benediktinerinnenkloster ab. Hier hat er auch schon 2009 und 2013 übernachtet. Anschließend besichtigt Gunter Morgenthal die imposante Kathedrale aus dem 13. Jahrhundert. Mit sage und schreibe 1.800 Quadratmetern Fenstern aus farbigem Bleikristall kommt sie gleich hinter dem Kölner Dom.
Bei seinem Pilgermenü in einem Hotel bekommt er Gesellschaft von einem Brasilianer und einem Holländer. Man unterhält sich angeregt auf Englisch. Vor der Kathedrale ist eine Bühne aufgebaut auf der Rockbands spielen und hier genießt Gunter Morgenthal später das bunte Treiben der Stadt. Um 22.30 Uhr ist das Vergnügen leider für ihn schon zu ende, denn wer später bei der Herberge eintrifft, steht vor verschlossenen Türen. In einem Hostel oder einer Pension, hätte er das Problem nicht gehabt, aber dort zahlt man für die Übernachtung auch bis zu achtmal so viel. Schade, denn gerade an diesem Abend hätte er gerne das Nachtleben noch ein wenig länger ausgekostet.
Es ist unsagbar heiß
29. Juni: Auch heute ist Gunter Morgenthal schon um sieben auf den Beinen. Immer den gelben Pfeilen folgend, findet er nach 20 Minuten eine Cafeteria zum Frühstücken. Die ersten elf Kilometer führt der Camino wieder nur durch Städte und Industriegebiete. Nicht eben erbaulich! In Virgen del Camino legt er eine Pause ein und entscheidet sich für die etwas längere Alternativroute nach Villar de Mazarife. In Oncina de la Valdoncina macht er noch einmal Halt. An einem kleinen Stand bietet ein Mann frisch gepressten Orangensaft an, für den man das bezahlt, was man zu zahlen bereit ist. Nach einem Stempel im Pilgerpass geht es weiter.
Um zehn waren es schon 23 Grad im Schatten. Jetzt ist es elf, die Temperaturen steigen und noch sind es zehn Kilometer bis zum heutigen Etappenziel. Gunter Morgenthal ist zufrieden mit seinem Silbershirt, denn trotz der Hitze ist kein Schweißgeruch zu erschnuppern. Um 13 Uhr erreicht er die Herberge, die direkt am Ortseingang von Villar de Mazarife liegt. Sie ist von einem wunderschönen Garten umgeben und Liegen laden zum Verweilen ein. Die Ruhe wird nur kurz von einer blökenden Schafsherde unterbrochen, die ein Hirte an der Herberge vorbei treibt. Gunter Morgenthal streichelt ein paar Schafe, wird dabei von einer Pilgerin gefilmt, die ihm lachend erzählt, dass heute einer ihrer schönsten Tage sei. Unserem Pilger geht es ebenso. Am Nachmittag klettert das Thermometer weiter, doch bis zum frühen Abend trudeln immer wieder Pilger im Dorf ein. Gunter Morgenthal ist mit sich und der Welt zufrieden, denn er weiß genau, warum er sich immer schon in aller Herrgottsfrühe auf den Jakobsweg begibt.
Anmerkung der Redaktion: Alle Stationen von Gunter Morgenthal auf dem Jakobsweg finden Sie hier.